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"Euthanasie"-Morde

Die Erfassung und Ermordung von Psychiatriepatientinnen und –patienten begann im Herbst 1939 im Rahmen der „Aktion T4“. 

Im Laufe des Jahres 1940 trafen in allen Heil- und Pflegeanstalten – in den Landesheil- und Pflegeanstalten wie Göttingen, Königslutter oder Osnabrück ebenso in den privaten und kirchlichen Anstalten wie Ilten, Neuerkerode und Rotenburg – Meldebogen ein, die der Erfassung der Patientinnen und Patienten diente. 

Der Direktor der Göttinger Universitätsklinik Dr. Ewald wurde im August 1940 als „T4-Gutachter“ angefragt. Anhand der Meldebogen sollte er Patientinnen und Patienten als „lebensunwertes Leben“ selektieren. Er lehnte diese Tätigkeit – als einziger der angefragten Psychiater – ab. Seine Weigerung hatte keine negativen Konsequenzen. 

Die ersten Deportationen betrafen jüdische Patientinnen und Patienten, die im September 1940 in die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf verlegt wurden. Von dort wurden sie in die Tötungsanstalt Brandenburg abtransportiert und ermordet. 

Von März bis August 1941 wurden Patientinnen und Patienten aus der Provinz Hannover, die anhand der Meldebogen selektiert worden waren, in die Tötungsanstalten Hadamar und Pirna-Sonnenstein verlegt. Die Heil- und Pflegeanstalt Königslutter diente ab Sommer 1941 als Zwischenanstalt. Patientinnen und Patienten aus Hamburg und Schleswig-Holstein wurden dorthin verlegt. Sie sollten von dort in die Tötungsanstalt Bernburg abtransportiert werden. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da die „Aktion T4“ im August 1941 eingestellt wurde. 

Doch die Tötungen wurden fortgesetzt: nun durch Vernachlässigung, Verhungernlassen und Verabreichung von überdosierten Medikamenten. So starben in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen bei Oldenburg bis Kriegsende über 1.500 Menschen an Mangelversorgung und Infektionskrankheiten infolge der Überbelegung und katastrophalen hygienischen Bedingungen. 

Im Herbst 1941 entstand in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eine Kinderfachabteilung, in der behinderte Kinder begutachtet und getötet wurden. Neben den beiden Kinderfachabteilungen in Hamburg – im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort und der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn – war Lüneburg die zentrale Tötungseinrichtung für Kinder im Nordwestdeutschen Raum.

Ab September 1944 diente die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg darüber hinaus als „Sammelstelle“ für psychisch kranke Zwangsarbeiterinnen und –arbeiter. Einige der aus Russland und Polen stammenden Menschen wurden am 20. Dezember 1944 in eine Tötungsstätte abtransportiert. Andere starben in Lüneburg – wie auch in Wehnen und anderenorts – an gezielter Vernachlässigung.